Rundbrief 04 / 04

Umzug des Vereinsbüros in die Spitzwegstr. 33

Ende Dezember’2003 war es soweit: Das Büro in der Chemnitzstraße wurde geräumt. Ein Teil des Inventars wanderte in eine Garage in der Bürgerstraße, das restliche Büromaterial in das Hinterhaus der Spitzwegstr. 33. Öffnungszeiten haben wir bis auf weiteres nicht mehr!
Nach Wegfall der institutionellen Förderung seitens der Stadt Braunschweig war dieser Schritt aus finanzieller Sicht leider nicht mehr zu verhindern. Unsere Projekte im Westlichen Ringgebiet – insbesondere das Ringgleis – werden wir aber nach wie vor vorantreiben!

Glosse

Ein Schlossgeist geht um

Seit nunmehr 2 Jahren regiert Herr Dr. H. aus dem ländlichen Gifhorn unsere Löwenstadt und dies mit preußischer Disziplin. Seine scharfen Krallen hat schon so manch einer zu spüren bekommen – eine Kleiderordnung regelt seither das Outfit eines jeden kommunalen Mitarbeiters.
Die Stadt spricht wieder mit einer Stimme – wo kämen wir denn da hin, wenn jeder „Hans und Franz“ selbstbewusst sein Ressource gegenüber der Öffentlichkeit vertreten würde.
Im Rathaus herrscht wieder Zucht und Ordnung.
Niemand schleicht so mir nichts dir nichts ungesehen durch die Flure. Eine Anmeldung erfolgt im Eingangsbereich bei dem sympathischen Pförtner mit dem russischen Akzent. Sollte dies nicht geschehen, kommt dieser schon mal im gestreckten Galopp hinterher gesprintet und stellt den Eindringling.
Der Übergang zwischen dem alten und dem neuen Rathaus lässt sich nur noch mit Checkkarte passieren. Sollte man ohne Termin nach 16.00 Uhr das Vorzimmer von „Big Boss“ betreten, kann es schon mal passieren, das man umgehend von einer resoluten Sekretärin auf den Flur gedrängt und das eigene Anliegen in aller Öffentlichkeit verhandelt wird.
Unseren „roten Saustall“ hat Herr Dr. H. aufgeräumt und gründlich ausgemistet.
Nie wieder wird es eine „Oktoberfest-Sause“ geben und keine Kaschmir-Schals werden die Gemüter in Wallung versetzen. Das „Tafelsilber“ wurde blitzschnell verscherbelt – die Stadtwerke heißen seither „BS energy“.
Viele Sympathien erntete unser neuer Oberbürgermeister mit der Beseitigung der Baumschutzsatzung. Unter dem Beifall vieler Hausbesitzer kam es zu einem regelrechten Kettensägenmassaker. Ganze Alleen sind seither gewichen, überall sieht man 1-Meter hohe Baumstumpen gespenstisch aus dem Boden ragen. Ratzfatz wurden Fakten geschaffen. Auch die Grünen wissen seither, wo der Hammer hängt.
Nicht lange reden, sondern handeln
Seine „Gute Stube“ – wie er die Innenstadt Braunschweigs liebevoll nennt - blitzt und blinkt wieder. Tag und Nacht werden die Müllcontainer videoüberwacht, jeder Schmutzfink gnadenlos überführt und abgestraft – wie uns gruselige Plakate nach seinem Amtsantritt in jeder Straßenbahn mitteilten.
Für einen Euro zusätzlich die Stunde wurden ganze Kolonnen von Sozialhilfeempfängern aus ihrem Dämmerzustand gerüttelt, mit orangefarbenen Westen ausgestattet, zum Putzen herzitiert und in den Medien vorgeführt. Wer nicht stramm stand, sich womöglich widersetzte, dem wurde kurzer Hand die Sozialhilfe gekürzt oder komplett gestrichen.
Mit der Sauberkeit – da hat’s der Chef:
Mit viel Tamtam und werbewirksamen Auftritten verschaffte sich Herr Dr. H. Respekt durch seine alljährlich wiederkehrenden Groß-Reinemach-Aktionen. 15.000 tapfere Braunschweiger Bürger griffen auch 2004 zu Feudel und Wischeimer. Hier und da erblickte man kommunale Angestellte, ja sogar Staatsbeamte, die heroisch in ihrer Freizeit zupackten und ganz selbstlos mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen die Putzbrigaden unterstützten.
Das war doch mal ein rechtschaffenes Vorbild für die ach so verlotterte Jugend. Kleiner Tipp: Diese Aktion könnte durch einen Bohnerwettbewerb - wie ihn die „Hör zu“ in den 50iger Jahren für die deutsche Jugend ausgelobt hatte – noch „getoppt“ werden.
Schon damals erkannte man, dass sich die Menschen gut fühlen, wenn sie gebraucht werden.
Pünktlich zum Frühlingsbeginn erstrahlt unser aller Löwenstadt im alten Glanze – einzig das Schloss und der Herzog fehlen noch in diesem Rahmen.
Seien Sie guten Mutes – die H.’sche Ich-AG wird’s richten:
In Hochglanzbroschüren, mit Butterfahrten der gehobeneren Klasse und mit suggestiven Reden, in denen vom Jahrhundertprojekt die Rede ist, der Schlossabriss als die größte Sünde tituliert und der Präsident des Arbeitgeberverbandes kurzerhand als „Heiliger Vater“ bezeichnet wird, preist der Gifhorner Dr. H. im exquisiten Ambiente - wie z.B. letztens im „Ölper Landhaus“ - unseren Schlosspark als besten Standort für ein gigantisches „Otto-Kaufhaus“ an.
Im Bierrausch und in Saftlaune – die Getränke waren selbstverständlich gratis – jubelten ihm seine Anhänger zu und sind in der Folge bereit, für die größte Sause aller Zeiten unser Allmende zu verscherbeln. Hauptsache die Schloss-Fassade wird gewahrt.
Propaganda im modernen Stil
Das einzige örtliche große Print-Medium erscheint lange Phasen wie gleichgeschaltet, greift bewusst in den Abstimmungsprozess ein, indem sie die Befürworter, allen voran Herrn Dr. H. gebetsmühlenartig zu Wort kommen lässt und die kritischen Anliegen der Bürgerschaft über weite Strecken „auf kleiner Flamme“ hält.
Auch die 26.000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid zur Erhaltung des Schlossparks wurden in aller Öffentlichkeit lapidar herunterspielt.
Waren es nicht die Braunschweiger Geschäftsleute, die die Sanierung der Innenstadt erst ermöglicht haben? Sie entschieden sich ganz bewusst für unsere Stadt als soliden Standort und zögerten nicht, dieses durch kräftige Finanzspritzen zu dokumentieren. Nun wäre es an der Zeit, dass die Stadt Braunschweig - über die Interessen einzelner Parteien hinweg - ihren Teil einlöst und ihrerseits zu den „Standorttreuen“ steht. Statt dessen wurden einige wüst beschimpft und verhöhnt.
Und die SPD?
Bei all diesem groß angelegten Spektakel fragt man sich: Wie positioniert sich die zweitgrößte Partei unserer Stadt? Warum erhebt sie nicht deutlicher ihre Stimme und entlarvt das „Schmieren-Theater“?
Schon jetzt steht fest: Nur für einige wenige Unternehmen und Einzelpersonen wird das Geschäft lukrativ ausgehen. Kritische Stimmen dagegen werden einfach „platt gemacht“ oder indirekt durch verlockende Aufträge zum Schweigen gebracht.
One (H.-)Man-Show
Mehr und mehr verkommt dieses Jahrhundertgeschäft zu einer Posse. Politiker aller Parteien nehmen am Ende die Rolle von Statisten ein und verlieren ihre Glaubwürdigkeit. Es bleibt nicht mehr viel Zeit - die geschickt angelegte Propagandaschlacht zu entlarven, das Für und Wider kritisch zu prüfen, bevor der Schlosspark - das Filetstück Braunschweigs - zum Outlet-Preis unwiederbringlich verschleudert wird.
Wiederaufbau als Morgengabe?
Vorrangig geht es um ein riesengroßes Geschäft, dessen Zeche am Ende der „Kleine Mann“, die „Kleine Frau“ zu zahlen haben. Angesichts leerer öffentlicher Kassen können nur wenige Ratspolitiker der Versuchung widerstehen und fallen auf die verlockenden Angebote eines gut geschulten Marketingteams herein. Denn schließlich möchten die gewählten Vertreter/Innen etwas bewegen, fragt sich nur was?
Soll die historische Bedeutung des Schlossareals wieder belebt werden? Da helfen keine Ritterspiele vor Schlossfassaden. Schade!
Einzigartig in der Geschichte Braunschweigs ist hingegen das zauberhafte Angebot des Herrn Dr. H. an junge Paare. Sie können demnächst in einem „Otto-Kaufhaus“ heiraten.
Wer weiß, vielleicht hilft uns dieser Joker bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas.
-HeideroseWanzelius-

Der Traum von einer Insel
Der Frühling hält Einzug ins Westliche Ringgebiet – da werden Erinnerungen wach an die letzten sonnigen Sommertage auf Spiekeroog! Mit einer Gitarre im Gepäck starteten wir an einem Sonntagmittag an der Hebbelstraße. Auf dem Ringgleis tobte der Bär, Massen von Menschen schoben sich an den Ständen des Flohmarktes vorbei, Autos hupten und versperrten die Straßen, während wir noch einen letzten Blick in den Autospiegel riskierten und den in der Siedlung verbliebenen Sinti-Familien zuwinkten. Gemeinsam mit einigen ihrer Frauen, Kinder und Jugendlichen begaben wir uns auf die Fahrt in Richtung Nordsee. Keiner der Sinti hatte je zuvor eine so weite Urlaubsreise unternommen. Die Vorfreude war riesengroß, es schlich sich allerdings auch eine gewisse Angst ein. Vielleicht würden die Inselbewohner sie als Sinti nicht akzeptieren und gleich abstempeln. Diese und auch andere Gedanken bedrückten sie ein wenig. Aber als die Autos dann eine Weile rollten und das Ziel immer näher rückte, machte sich gute Laune breit. Es wurde gesungen und gelacht, erzählt und gespielt und im Nu waren wir am Anlegesteg in Horumersiel angekommen.
Die Zeit auf der Insel Spiekeroog war aufregend und einfach himmlisch. Sonne, Wind, schäumende Nordseewellen und ein breiter Sandstrand ließen keine Langeweile aufkommen. Liebevoll wurden wir morgens von Pastor Herbert Erchinger mit „handgemachter Gitarrenmusik“ geweckt, freuten uns auf das gemütliche Frühstück und erlebten jede Menge Spaß. Wir waren dabei als mehrere aufgepäppelte Robben einer Aufzuchtstation auf einen Kutter verladen und Stunden später auf einer Sandbank mitten im Meer in Freiheit gesetzt wurden. Aber auch das romantische Lagerfeuer, der Besuch einer alten Dorfkapelle, das Schwimmen gehen und Drachen steigen lassen blieb uns in angenehmer Erinnerung. Wir haben viel gesungen und irgendwann war die Zeit gekommen, uns über die jüngste Vergangenheit und das unendliche Leid auszutauschen, das den Sinti während der Nazizeit widerfahren war. Ebenso diskutierten wir über ihre aktuelle Situation. Wir überlegten gemeinsam, wie die Zukunft zu gestalten sei. Wir haben geweint und gelacht und Pläne geschmiedet. Wichtig war uns, ihre eigene Kultur zu unterstützen und ihren Kindern eine adäquate Schulbildung zukommen zu lassen. Mit viel Hoffnung im Gepäck begaben wir uns nach einigen Tagen auf die Heimreise. Hey, wie haben wir uns gefreut, als wir einige Wochen später das Okay für ein Sintikulturprojekt im Westlichen Ringgebiet bekommen haben, das aus LOS-Mitteln finanziert wird.
Mittlerweile ist dieses so richtig gut angelaufen. Mit etwa hundert Besuchern startete ein Kulturfest. Eine Frauengruppe trifft sich an den Wochenenden regelmäßig. Ein Computer- und Nähkurs stehen auf dem Programm. Die Mädchen und Jungen werden bei den Schularbeiten unterstützt.
Und wenn der Alltag im Westlichen Ringgebiet mal wieder Grau in Grau erscheint, schnappen wir uns die Gitarre, schmettern ein Lied und träumen von der Zeit auf der Insel im Meer.
-Heiderose Wanzelius-

Neuer Wein in alten Schläuchen oder Alter Wein in neuen Schläuchen?
Wer hätte das gedacht? Ein altes Thema des forums gewinnt neue Aktualität: die Fassadenbegrünung.
2000 Pflanzen gibt’s gratis von der Stadt zur Hausverschönerung. Und als „Schutzwall“ gegen Graffiti! Das wir darauf nicht früher gekommen sind!
Was musste man in den 80er Jahren noch an Überzeugungsarbeit leisten, um an irgendeiner kahlen Wand drei zarte Efeupflänzchen oder wilden Wein zu positionieren.
Wie lange dauerte es, bis die Stadt endlich ein bescheidenes Förderprogramm zur Fassaden- und Innenhofbegrünung auflegte und ökologischer dachte.
Und nun? Nun fordert beim Kampf um ein schöneres Stadtbild der Verein „Graffiti-Ex“ grüne Wände. Und schon gehen die Fördertöpfe von Stadt und Borek-Stiftung auf!
Aber natürlich nur zum Schutz der Häuserwände vor Farbschmierereien!
P.S. Nur gut, dass sich die von uns gewünschten ökologischen Positiv-Effekte (Verbesserung des Mikroklimas, Staubfilterung, zusätzlicher Lebensraum für Insekten) quasi von selbst mit einstellen!
-Hans-W- Fechtel-

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